Rund zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland sind einer Studie zufolge arbeitssüchtig. Zu diesem Ergebnis kam gerade eine gemeinsame Studie von Forscherinnen und Forschern des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Technischen Universität Braunschweig.
So definiert sich eine Arbeitssucht
Unaufhörlicher und unkontrollierter Drang ständig arbeiten zu müssen, sodass Gesundheit, Wohlbefinden und private Beziehungen beeinträchtigt werden.
Dr. Gerhard Mentzel Begriff das erste Mal 1979. Vergleich der Arbeits- mit einer Alkoholsucht
Er schafft darüber hinaus ein Konzept, in dem die absolut geleistete Arbeitsmenge des Arbeitssüchtigen gegenüber seiner Einstellung zur Arbeit in den Hintergrund tritt.
Von einer Sucht ist immer dann auszugehen, wenn der Betreffende ohne seinen Stoff nicht mehr auskommt, die Dosen steigert, unter Entzugserscheinungen leidet, zunehmend das Interesse an früher wichtigen Dingen in seinem Leben verliert und soziale oder gesellschaftliche Aufgaben und Verpflichtungen vernachlässigt. Die jeweilige Droge bestimmt sein Leben und schädigt den Menschen zunehmend körperlich, sozial und seelisch.
Auch ein spannender Aspekt: Während man z. B. bei der Alkoholsucht anhand der Intensität des Missbrauchs daraus geschlossen werden kann, wie stark die Sucht ausgeprägt ist. Ist es bei der Arbeitssucht ein wenig anders.
Arbeitssucht bemisst sich nicht daran, wie viel jemand arbeitet, sondern daran, was jemand nicht mehr tun kann. Arbeitssucht wird also nicht durch die Quantität der Arbeit definiert, sondern durch die Bedeutung und Funktion, die die Arbeit für den Betreffenden hat.
Woran wird Arbeitssucht also deutlich?
- Betrachtet man sich arbeitssüchtiges Verhalten, so zeigt sich eigentlich meist eine gewisse Dranghaftigkeit in der Arbeit,
- eine Arbeitswut mit Selbstbestrafungstendenz und selbstzerstörerischem Charakter.
- Bei Arbeitssüchtigen ist sehr häufig eine zwanghaft-perfektionistische Grundeinstellung vorzufinden, wobei die Arbeit nach bestimmten Regeln ablaufen muss, und Flexibilität und innovative Veränderungen des Arbeitsablaufes vermieden
- Bei der Arbeitssucht geht es weniger um befriedigenden Lustgewinn wie bei stoffgebundenen Süchten, sondern eher um das Problem der Zerstörung.
- An die Quantität oder aber Qualität der Arbeitserledigung werden hohe Ansprüche gestellt – unabhängig von der Bedeutung der Arbeitsaufgabe für das Gesamte.
Wie bei allen anderen Süchten besteht eine starke Verleugnungstendenz. Dieses wirkt bei der Arbeitssucht umso stärker, als die Ergebnisse süchtigen Arbeitens oft eine hohe gesellschaftliche Anerkennung finden.
Und auch wenn es scheinen mag, dass man Arbeitssucht weniger offensichtlich an Körper und Geist sieht, dann merkt man diese Art der Sucht sehr wohl an der Qualität und der Aufrechterhaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen.
Folgen bei Arbeitssucht
Als früheste Reaktion nennt er psychovegetative und körperliche Störungen (zum Beispiel Erschöpfungsgefühle, Konzentrationsstörungen, Ängste, Herz-Kreislauf-Beschwerden und Kopfschmerzen). Später folgen dann die psychosomatischen Beschwerden, die nach einiger Zeit chronifizieren und zur Leistungsunfähigkeit führen. In jedem Fall ist die Arbeitssucht eine progrediente Erkrankung, die im Extremfall bis zur Selbstzerstörung fortschreitet.
Worauf ist Arbeitssucht eigentlich die Antwort?
- Die Arbeitssucht ist, wie alle anderen Süchte ein Selbstheilungsversuch, ein Konfliktlösungsversuch, wobei der Konflikt dem Betreffenden meist nicht bewusst ist.
- Der Arbeitssüchtige versucht unangenehme Gefühle wie Depressionen, Kontaktängste, Selbstunsicherheiten, Entwurzelungsgefühle usw. oder aber angstmachende Gedanken und Situationen abzuwehren.
- Auf der Arbeit als auch im Privaten
- Arbeit: Neuorganisation, Wegfall von Ressourcen und Privilegien, Kündigungsängste, Karriereentwicklungen
- Arbeitssucht kann der Kompensation realer oder fantasierter Minderwertigkeiten oder aber als Ersatzbefriedigung erlebter Mängel dienen
Gibt es Persönlichkeitsmerkmale, die eher zur Arbeitssucht neigen?
Charakterzüge für eine mögliche Entwicklung einer Arbeitssucht:
- Extreme wettbewerbsorientierte Persönlichkeitsstruktur
- Kontrollbedürfnis
- Siegeswillen
- Suche nach Erfolg und Anerkennung
- Mangelndes Selbstvertrauen und der damit verbundene Wunsch die eigene Unzulänglichkeit und Versagensängste zu unterdrücken
- Leistungsbezogener Erziehungsstil und die Kopplung an Zuneigung an Erfolg
Unterschied zwischen Arbeitssucht und Engagement
Wenn ihr Euch die Podcastfolgen zum Job Crafting anhört, dann spreche ich dort ja auch vom sog. Engagement. Engagement ist ein positiver, arbeitsbezogener und motivierender Zustand, der sich aus drei Bausteinen zusammensetzt: Lebendigkeit, Hingabe und vertieft sein.
Sicherlich werden Menschen, die unter einer Arbeitssucht leiden, positive Merkmale finden, die sie mit der Arbeit in Verbindung bringen. Beatrice van Berk, Mitautorin der Studie, verweist auf den Unterschied zwischen Arbeitssucht und dem sogenannten work engagement: Während das Verhalten von Arbeitssüchtigen exzessiv und zwanghaft sei, sie häufig ein schlechtes Gewissen hätten und sich in ihrer Freizeit nicht von der Arbeit trennen könnten, empfänden Arbeitsengagierte Leidenschaft und hätten Spaß.
Lösungsideen gegen Arbeitssucht:
Für Betroffene ist es oft ein beschwerlicher Weg, bis sie sich das problematische Arbeitsverhalten eingestehen. Die Prinzipien der Leistungsgesellschaft machen dies noch schwieriger. Eine Problemeinsicht ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für den Therapieerfolg. Sie kann sich auch nach und nach einstellen.
Je nachdem welche Ausprägungen die Arbeitssucht hat, können unterschiedliche Unterstützungs-bzw. Behandlungsmaßnahmen zum Einsatz kommen:
- ambulante Suchtberatungsstelle
- Beratungsmöglichkeiten im Chat und per E-Mail finden Sie auf der WebsiteDrugcom.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
- Ärztliche Behandlungen (z.B. von körperlichen oder psychiatrischen Folgeerscheinungen, anderen Erkrankungen etc.)
- Psychotherapie
- Klinisch-psychologische Behandlung
Ganz wichtig: Arbeitssucht ist eine Krankheit, die man nicht in Mitarbeitergesprächen primär behandeln sollte. Hier ist fachlicher Rat und Expertise gefragt.
Da es allerdings, und das unterscheidet die Alkohol- von der Arbeitssucht, nicht um komplette Abstinenz von Arbeit gehen kann, ist es wichtig die Rahmenbedingungen zu bearbeiten.
Und: Den einen Arbeitssüchtigen gibt es nicht. Naughton bildet für eine Erklärung zwei Dimensionen: „commitment to work“ (Arbeit ist Hauptaufgabe und Triebbefriedigung) und „obsession compulsion“ (Arbeitsbesessenheit- – Zwanghaftigkeit). Beide Typen stellen allerdings keine Gegensätze dar, sondern das Arbeitsverhalten des Einzelnen setzt sich aus beiden Komponenten zusammen.
Führungskräfte können im Hinblick auf die Prävention von Arbeitssucht tätig werden und eine Arbeitskultur schaffen, in der
- Es nicht gefeiert wird, wenn 24-7 gearbeitet wird
- Es normal ist, Urlaubstage zu nehmen
- Es ok ist, wenn man zu bestimmten Uhrzeiten nicht erreichbar ist oder auf Mails zu antworten
- Man die Arbeit ruhen lässt, wenn man krank ist.
Auf der Ebene der Lösungsorientierung geht es um Fragen der Zeitplanung, der Arbeitsorganisation, der Wiederbelebung und Neuentdeckung von Interessen außerhalb der Arbeitswelt, der Pflege sozialer Beziehungen und der Frage nach Entspannungstechniken.
Als Führungskraft geht es darum, die Rahmenbedingungen mit dem Mitarbeiter zu besprechen und gemeinsam festzulegen.
Wo finde ich Hilfe beim Thema Arbeitssucht?
Sie bemerken Zeichen der Arbeitssucht an jemandem in Ihrer Umgebung oder Sie haben den Verdacht, selbst unter Arbeitssucht zu leiden? Dann können Sie sich vor allem an folgende Ansprechstellen wenden:
- Hausärztin/Hausarzt
- Psychotherapeutin/Psychotherapeut
- klinische Psychologin/klinischer Psychologe
- Facharzt für Psychiatrie (und psychotherapeutische Medizin)
- Auch Selbsthilfegruppen können hilfreich sein.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!