besserjetzt „Auf die Hand“ – Der Weiterbildungssnack
Folge 23: Was ist Quiet Quitting?
TikTok-Trend bewegt die GenZ
Quiet Quitting ist das neue Buzzword der Arbeitswelt. Habt ihr den Begriff schonmal gehört? Ich stieß über mein Linkedin Profil auf Quiet Quitting und ich muss gestehen, dass ich erstmal resigniert dachte: „Da wird wieder eine Sau durchs Dorf getrieben“. Aber in Zeiten eines aktuen Fachkräftemangels sollte man sich genauer mit diesen Trends beschäftigen und diese richtig einordnen. Das versuche ich heute mit dieser Folge „Auf die Hand“. Also steigen wir ein und definieren den Begriff Quiet Quitting.
Quiet Quitting kann nicht wörtlich übersetzt werden als stille Kündigung. Auch wenn es so klingt als würde jemand still und heimlich seine Kündigung einreichen. Quiet Quitting beschreibt eher eine Beschränkung der Leistungsfähigkeit und des Leistungswillens auf das, was in der Stellenbeschreibung steht. Somit wäre auch eine Übersetzung als innere Kündigung irreführend.
Unter „innerer Kündigung“ wird zumeist die gedankliche Abkehr des Beschäftigten von seinem Unternehmen bzw. seinem Arbeitsplatz verstanden. Das muss beim Quiet Quitting nicht der Fall sein. Am besten beschreiben tut es wohl der Ausspruch “Dienst nach Vorschrift”.
Innere Kündigung vs. Low Performer vs. Dienst nach Vorschrift
Den Begriff in die Welt gesetzt hat ein junger TikToker namens Zaid Zeppelin nennt. Mehr als 3,5 Millionen Mal wurde sein Video geklickt. Er definiert es so: „Du kündigst nicht deinen Job, arbeitest aber nicht mehr als dein Vertrag vorsieht. Arbeit ist nicht dein Leben, dein Wert als Mensch definiert sich nicht über deine Produktivität.“
Durch die Plattform verwundert es auch nicht, dass Quiet Quitting insbesondere bei der GenZ einen Nerv trifft. In einem Artikel der DPA beschreibt Jugendforscher Klaus Hurrelmann das die Berufsanfänge keine Bereitschaft hätten, die Arbeit zu priorisieren und sogar die Angst umgehe, durch Arbeit rund um die Uhr ausgebeutet zu werden.
In und auch nach der Pandemie haben die Menschen einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben noch viel mehr Bedeutung beigemessen. Nur etwas mehr als ein Drittel der Deutschen (35 Prozent) lieben ihre Arbeit – das zeigt eine bevölkerungsrepräsentative Studie des digitalen Versicherungsmanagers CLARK in Zusammenarbeit mit YouGov. Nur jede:r Fünfte gibt an, morgens glücklich und zufrieden aufzustehen. Denn obwohl das Homeoffice für viele Arbeitnehmer deutliche Vorteile bietet, brachte die Pandemie oftmals auch eine Mehrfachbelastung aus Arbeit, Haushalt oder der Unterstützung der Kinder beim Lernen mit sich – die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwommen. Und während in der Generation Y die Rede von Work-Life Balance war, dann sieht man unter Vertretern der Generation Z Tendenzen Arbeit und Privatleben strikter zu trennen.
Wenn deine Mitarbeiter nur dann einen guten Job machen, wenn Sie mehr tun als vorgeschrieben, dann hast du Arbeit schlecht organisiert. (Michael Zocholl)
Quiet Quitting ist auch nicht mit dem sog. Low Performer gleichzusetzen. Low Performance definiert einen Minderleister. Also eine Person, die objektiv weniger leistet als es die Normalleistung vorsieht. Bleibt die Leistung unter einem Drittel der Normalleistung zurück, kann dies Kündigungsrelevanz haben, selbst wenn der Mitarbeiter nicht mehr leisten kann.
Hier sehen Experten auch den Unterschied zum „quiet quitting“: Hier kann die Person durchaus leistungsfähig und auch leistungswillig sein, aber eben nur in dem vertraglichen Rahmen. Die Arbeitsleistung kann also einwandfrei sein. Aber: Ich leiste keine Überstunden, übernehme keine Mehrarbeit und melde mich nicht freiwillig, wenn es um die Verteilung von Extra-Aufgaben oder Sonderprojekten geht.
Was ist der Nutzen für die Mitarbeiter?
Dienst nach Vorschrift ermöglicht eine klare Abgrenzung von Beruf und Privatleben. Das gibt den Mitarbeitern die Chance sich auf nicht-berufliche Aufgaben wie Familie, Gesundheit und psychisches Wohlbefinden zu konzentrieren.
Quiet Quitting ist für viele Arbeitnehmer auch eine Möglichkeit, einer Überforderung zu umgehen und Stress zu vermeiden. Mehrarbeit und Zusatzeinsatz gehören zum Alltag: Laut statistischem Bundesamt haben vergangenes Jahr zwölf Prozent der arbeitenden Bevölkerung Überstunden geleistet. Überstunden sind sicherlich hier und da notwendig und nicht zu vermeiden. In einer Zeit in der Unternehmen transparenter sind und von allen Seiten bewertet werden – liebe Grüße an Kununu –sind systematisierte Überstunden gleichzeitig schlechte Arbeitsbedingungen und somit ein Nachteil im Kampf um die besten Fachkräfte.
Aber warum kündigen die Mitarbeiter eigentlich?
Quiet Quitting mag ein populärer Begriff sein, aber diese Praxis ist nicht neu. Dienst nach Vorschrift ist keine Erfindung der Generation Z. Allerdings haben sich die Marktbedingungen geändert.
Viele Menschen nutzten in der Pandemie die Zeit, über ihre Karriere nachzudenken, sie zu hinterfragen und eine bessere Work-Life-Balance anzustreben. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern die Unsicherheiten im Zuge des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise, die Haltung zum Job verändern werden. Eine lahmende Konjunktur bzw. Rezession wird sicherlich dazu beitragen, dass die Menschen froh über eine Anstellung sind.
Doch egal, wie wir das Kind nun nennen, lassen Mitarbeiter in ihren Leistungen nach, müssen Führungskräfte reagieren. Natürlich bevor es zu spät ist. Und Handlungsdruck ist da. Eine Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2021 ergab, dass nur 36 % der Menschen angaben, mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein. Die Arbeit von zu Hause aus hat auch die Dynamik des Arbeitsplatzes verändert, weil Mitarbeiter und Manager durch Online-Meetings auf Plattformen wie Zoom oder Teams auf andere Weise kommunizieren. Die Interaktionen können sich förmlicher anfühlen als die Sitzungen in einem Büro. Begrenzte Treffen können zu einer Entfremdung zwischen Mitarbeitern und Management führen. Regelmäßige Unterstützung und Lob, durch die sich die Mitarbeiter wertgeschätzt und verbunden fühlen, können ebenfalls verloren gehen.
Böse Zungen könnten nun ja behaupten, dass daran ja nichts Schlimmes zu erkennen sei, wenn Menschen Dienst nach Vorschrift machen. Ich finde aber schon, dass es nicht nur aus Mitarbeitenden-Perspektive etwas Negatives hat. Judith Muster, Soziologin und Partnerin bei Metaplan beschreibt es im Interview mit der Zeitschrift Personalwirtschaft so: „Innovation würde nie zu Stande kommen, wenn Menschen nicht persönliches Risiko auf sich nehmen würden, um Situationen zu verbessern, die formal nicht zu verbessern sind”. Sie sagt auch, dass Unternehmen die Strukturen dafür schaffen müssen, dass Mitarbeiter Risiken eingehen können und wollen. Bedeutet, Unternehmen und Mitarbeiter brauchen sich gegenseitig.
Das allerdings stellt Betriebe in Deutschland vor große Aufgaben: Denn der Personalmangel bedeutet für die Unternehmen derzeit: Weniger müssen mehr leisten. Um neue Leute zu bekommen, brauchen die Firmen neue Anwerbekonzepte. Klar definierte Arbeitszeiten, die eingehalten werden und klar genannte Aufgabengebiete, die Zeit für Familie und Freizeit lassen, können hochattraktiv für potentielle neue Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein. Individuelle Entwicklungsmöglichkeiten und attraktive Vergütung sind dabei obligatorisch.
Woran erkenne ich denn nun, das jemand nur noch Dienst nach Vorschrift macht?
Die Anzeichen für eine stille Kündigung können verschiedene Formen annehmen, je nachdem, welche Gründe der Arbeitnehmer hat, um sich von der Arbeit zurückzuziehen. Wenn ein Mitarbeiter wirklich unglücklich ist, können die Anzeichen viel deutlicher sein als bei jemandem, der einfach nur eine bessere Work-Life-Balance anstrebt.
Einige Anzeichen für eine Quiet Quitting sind die Nichtteilnahme an Sitzungen, verspätetes Erscheinen oder frühzeitiges Verlassen, Verringerung der Produktivität, geringere Beteiligung an Teamprojekten, Nichtteilnahme an Planungen oder Besprechungen, mangelnde Leidenschaft oder Begeisterung.
Was tun als Führungskraft?
Ganz zu Beginn ist eine richtige Einordnung der Thematik wichtig. Die Frage lautet: Wieso ist Dienst nach Vorschrift in deinem Team eigentlich ein Problem? Ich möchte es einmal überspitzt formulieren: Wenn deine Mitarbeiter nur dann einen guten Job machen, wenn Sie mehr tun als vorgeschrieben, dann hast du Arbeit schlecht organisiert.
Aber: Ich weiß auch, dass man nicht alles bis ins letzte Detail planen und vorhersagen kann. In der goldenen Mitte wird also die Wahrheit liegen.
Lass mich ein Beispiel bringen: Du betreust ein großes Projekt zur Einführung einer neuen Software. Wenn hier alle Beteiligten den Stift fallen lassen, gerät das Projekt in Zeitnot. Quiet Quitting könnte fatale Folgen haben. Ein Mitarbeiter administriert die monatliche Gehaltsabrechnung für ein mittelständisches Unternehmen. Quiet Quitting muss keine Folgen haben, sofern alles fristgerecht erledigt wird. Soll heißen, die Kommunikation und die Einbindung der Mitarbeiter entscheidet sehr stark darüber, inwiefern Dienst nach Vorschrift ein Problem wird. Und damit das nicht gelingt, hast du als Führungskraft einen wichtigen Hebel nämlich das Mitarbeitergespräch. Wenn Du mehr über Mitarbeitergespräche wissen willst, dann lies Dir diesen Artikel durch. Hier habe ich ebenfalls eine Podcast-Folge für bessere Mitarbeitergespräche transkribiert.
Ich empfehle dir regelmäßige und offene Gespräche, in denen Du mehr über die Situation deiner Mitarbeiter zu erfahren. Dienst nach Vorschrift klingt sehr negativ. Ich appelliere dafür das Thema positiver zu sehen und sich zu fragen: Wo leitet mein Mitarbeiter seine oder ihre Ressourcen hin? Ist es die Familie oder die eigene Gesundheit? Ist es die persönliche Weiterbildung und ein echtes Desinteresse am aktuellen Job? Hier kommt es also auf deine Fähigkeiten an gut zuzuhören und die richtigen Fragen zu stellen.
Denk dran: Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm und muss vielleicht bald eine Stelle neu besetzen.
Solltest Du konkrete Hilfestellungen benötigen, um deine Mitarbeitergespräche besser zu machen, dann melde dich gerne für ein Coaching bei mir.
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Von diesem Phänomen habe ich auch gehört. Ich wundere mich aber, dass es so groß gemacht wird. Dienst nach Vorschrift ist ja keine Neuheit.