Einfach mal einen Gang zurückschalten?
Den Arbeitsumfang reduzieren oder gleich einen neuen Job?
Weniger Stress? Weniger Druck?
Wenn das interessant für dich klingt, dann ist die Folge zum Thema Downshifting genau das Richtige für dich.
Downshifting – Energie neu ausrichten
Falls Du die Sorge hast, dass es nun wieder um ein neues Modewort geht, dass durch die Arbeitswelt gejagt wird, dann muss ich dich für heute enttäuschen.
Downshifting (zu deutsch in etwa Herunterfahren) ist ein Begriff, der in den 90er Jahren durch den irischen Wirtschaftsphilosophen Charles Handy geprägt wurde. Das Ziel beim Downshifiting ist es, sich mehr Zeit zu nehmen, um Dinge zu tun, die einem wirklich Freude bereiten, und Dinge bleiben zu lassen, die nicht wirklich wichtig sind.
Recherchiert man die aktuelle Studienlage, dann kann einem Angst und Bange werden. Stress, Überforderung oder Angst, wohin man schaut. Aktuell leiden 84 Prozent der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland unter Stress. Das zeigt die neue repräsentative Studie „Arbeiten 2022“, die im Auftrag der pronova BKK durchgeführt wurde. Grund dafür sind Überstunden, Termindruck oder schlechte Information und Kommunikation und natürlich das Führungsverhalten des Vorgesetzten.
Eine Möglichkeit, die dem Höher, schneller, weiter entgegentreten soll, ist das sog. Downshifting. Es ist der Abschied vom Stress, von Hektik und Zeitnot und so gut wie immer auch von einem guten Einkommen. Downshifting ist eine Lebensweise, bei der Menschen bewusst ihre Lebensumstände und ihren Lebensstil ändern, um mehr persönliche Zufriedenheit und Erfüllung zu erlangen. Das kann bedeuten, dass man eine gut bezahlte Arbeit gegen einen Job eintauscht, der mehr Sinn und Freude macht.
Im privaten Bereich kann man sich beispielsweise für weniger Wohnraum entscheiden, der sich mit geringerem Kraftaufwand instanthalten lässt. Für die meisten ist Downshifting eine Möglichkeit, den Fokus weniger auf Konsum zu legen.
Wieso ist Downshifting relevant?
Nun wäre es unfair, dem Job die gesamte Verantwortung dafür zu geben, dass Menschen einen Gang zurückschalten müssen oder wollen. Denn wie viel Arbeit zu viel ist, lässt sich pauschal gar nicht beantworten. Allerdings geht der Job mit einer Doppel- oder sogar Dreifachbelastung aus Kind, Haushalt oder zu pflegende Angehörige einher.
Gründe und Vorteile von Downshifting
Downshifting bietet eine Reihe von Vorteilen. Herunterzufahren bedeutet nicht, seine persönlichen Ansprüche und Ziele aufzugeben. Es geht meistens nur darum, dass man zu dem Schluss gekommen ist, seine Energie bisher nicht zielführend eingesetzt zu haben.
Ein Grund für Downshifting ist der Wunsch nach weniger Stress. Je höher die Position und je größer die damit verbundene Verantwortung, desto mehr Stress geht mit der täglichen Arbeit einher. Die Arbeitstage werden länger und der Druck und die Einsamkeit steigen mit jeder Hierarchieebene an.
In vielen Fällen ist es aber auch die Unzufriedenheit im derzeitigen Job, die die Menschen einen Gang zurückschalten lässt. Entweder ist es das Ausbleiben eines weiteren Karriereschritts oder die Tatsache, dass der jetzige Job einfach nicht mehr so gut zu einem passt. Dieser Grund baut auch eine Brücke zum dritten Grund.
Und zwar die veränderten Werte. Mag es zu Beginn der Karriere noch wichtig sein, mit Ehrgeiz und Einsatz zu punkten, so schwindet mit den Jahren und somit mit zunehmender Lebens- und Berufserfahrung die Erkenntnis, dass Geld und Status nicht alles ist. Stattdessen rücken soziale Kontakte, die Familie oder ein Ehrenamt wieder mehr in den Fokus. Das sind sehr oft die Faktoren, die für die Karriere hinten angestellt wurden.
Von Teilzeit bis Kündigung – Downshifting vielseitig möglich
Jetzt gibt es verschiedene Möglichkeiten, sein persönliches Leben herunterzufahren. Ich möchte mit euch die beruflichen Möglichkeiten teilen. Schauen wir uns die Möglichkeiten einmal an
- Teilzeit: Teilzeitbeschäftigt sind Arbeitnehmer, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist, als die vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Das geht mit einer Anpassung des Entgelts und des Urlaubsanspruches einher.
- 4-Tage-Woche: Die 4-Tage-Woche ist ein alternatives Arbeitszeitmodell zur klassischen 40-Stunden-Woche. Der Ansatz: Mitarbeiter gewinnen einen zusätzlich freien Tag und das Unternehmen erholte, engagierte Angestellte. Hierzu habe ich bereits mehrere Podcastfolgen gemacht. Hört hier gerne nochmal rein, falls euch das Thema interessiert.
Hier möchte ich einen kurze Einschub machen, der in der Diskussion um Teilzeit oder die 4-Tage-Woche begleitet. Und das ist die Frage, ob kürzere Arbeitstage wirklich die Rettung gegen zu viel Stress ist. In Schweden gibt es bereits Pilotprojekte mit einem 6-Stunden-Arbeitstag. Der Gedanke dahinter: In dieser Zeit arbeiten die Mitarbeiter wirklich produktiv und konzentriert, gleichzeitig sorgt die größere Freizeit für eine bessere Lebensbalance, für weniger krankheitsbedingte Fehlzeiten und höhere Motivation. Inspiriert von amerikanischen Vorbildern führte wiederum die Bielefelder IT-Agentur von Lasse Rheingans den 5-Stunden-Tag für seine Mitarbeiter ein. Weniger Arbeit bei gleichem Gehalt durch Bündelung sämtlicher Ressourcen – so der Gedanke dahinter. Die Arbeitszeit wird so nur noch mit den absolut notwendigen Dingen verbracht.
Schaut man aber in die Literatur, wird deutlich, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit nicht automatisch weniger Stress und mehr Lebensqualität bedeutet. Im Gegenteil: Unter Umständen können weniger Stunden sogar mehr Stress verursachen, weil der Druck zu höherer Produktivität in weniger Zeit wächst.
Was für Optionen gibt es noch?
- Sabbatical: Beim Sabbatical (auch Sabbatjahr) handelt es sich um unbezahlten Sonderurlaub, den der Arbeitnehmer nach eigenem Ermessen gestaltet. In der Regel dauert das Sabbatjahr zwischen einem Monat und einem Jahr. In der Praxis wird die Länge eines Sabbaticals meist individuell zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart.
- Jobwechsel: Entweder intern im eigenen Unternehmen oder in ein anderes Unternehmen.
- Kündigung: Den aktuellen Job aufgeben.
Mal angenommen ein Mitarbeiter sitzt nun bei dir und kommt mit der Idee von Downshifting auf die zu. Dann solltest du folgende Punkte genauer besprechen, ohne Downshifting als gut oder schlecht zu bewerten.
- Wie sieht die Ist-Situation des Mitarbeiters aus? Die große Frage, die sofort im Raum steht, lautet: Warum wählt er/sie diesen Weg? Wieso ist der Mitarbeiter in der aktuellen Situation so unzufrieden? Versuche eine ehrliche Antwort zur Ist-Situation zu erhalten. Dabei kann es einerseits darum gehen, den Mitarbeiter von einer anderen Entscheidung zu überzeugen. Andererseits dient es auch dazu, notwendige Veränderungen einzuleiten, sodass das Downshifting keine größeren Kreise zieht. Gleichzeitig kannst Du es also als Reflexion des eigenen Führungsverhaltens nutzen.
- Verschaffe Dir ein Bild über die nächsten Schritte. Wie stellt sich der Mitarbeiter das Downshifting jetzt konkret vor? Welchen Weg wählt er oder sie? Darauf basierend entscheidet sich, ob und was du als nächstes unternehmen musst. Musst du eine Stelle neu besetzen und das Wissen des Mitarbeiters abgreifen oder genügt es einige Aufgaben neu zu verteilen.
- Sorge für einen wertschätzenden Umgang nach der Entscheidung. Die große Sorge, die Menschen im Downshifting begleitet, ist der Karriereknick. Mal abgesehen davon, dass das Thema Karriere oft zum Downshifting führt, ist die gängige Meinung, dass es von nun an vorbei ist, mit den großen Sprüngen. Inwiefern das in Zeiten des Fachkräftemangels aktuell bleibt, entscheidest du mit deinem Verhalten natürlich mit.
Aus meiner Sicht gibt es zwei Wege, um das Downshifiting zu begleiten:
- Gestalte ein wertschätzendes Offboarding, d.h. lasse Projekte zu Ende bringen und behandele die Person nicht wie einen Aussätzigen. Ermögliche der Person einen Abschied, sodass er oder sie das Kapitel abschließen können.
- Wenn es nur ein partielles Downshifting ist, dann binde die Person genauso intensiv mit ein, wie vorher. Einen Gang zurückzuschalten bedeutet nicht, wertlos zu sein. Wehre dabei auch Vorurteile aus anderen Richtungen ab. Du bist weiterhin die Führungskraft dieser Person. Bleib interessiert am Ball und verfolge die Entwicklungen des Mitarbeiters genau. Du weißt nie, ob es einen Rückzug vom Rückzug geben wird.
Zusammenfassung
Soweit das Thema Downshifting. Ich fasse nochmal für Euch zusammen.
Der Begriff Downshifting wurde in den Neunzigerjahren geprägt. Wörtlich übersetzt bedeutet Downshifting soviel wie „Herunterschalten“ – und darum geht es auch: Downshifter entscheiden sich freiwillig dazu, beruflich kürzer zu treten. Sie verzichten auf die sprichwörtliche Karriere und nächste Hierarchiestufe, fangen lieber tiefer neu an und entscheiden sich für mehr Work-Life-Balance.
Als Führungskraft ist es im ersten Moment ärgerlich, die Ressourcen zu verlieren. Es bietet dir aber auch Gelegenheit, Missstände im Team neu zu sehen und zu verändern. Aus diesem Grund solltest du die Entscheidung wertfrei und positiv begleiten.
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