Wir machen aber weiter mit unserer kleinen Reihe zu den Persönlichkeitstests und sprechen heute über den MBTI
Dieser Test wird jährlich mehr als 2 Mio. mal angewendet und ist gleichzeitig unfassbar umstritten. Ein Bericht des amerikanischen National Research Council merkte an, dass sich der Einsatz des Tests trotz seiner Beliebtheit im Geschäftsleben und in der Personalberatung verselbstständigt hat und über seinen ursprünglichen Anwendungsbereich, die Vorhersage der Arbeitsleistung, hinausgegangen ist und dass „die Verbreitung dieses Instruments ohne Nachweis des wissenschaftlichen Werts eine beunruhigende Vorstellung ist.
Definition MBTI – Myers-Briggs-Typenindikator
Aber starten wir doch erstmal mit einer Definition und einer Erklärung, was der MBTI eigentlich messen will.
Der Schweizer Mediziner Carl Gustav Jung entwickelte 1921 ein Modell zur Einstufung von Persönlichkeitstypen aus vier Funktionen: Denken, Fühlen, Intuition und Empfinden. Diese Funktionen sind mit den zwei Attributen introvertiert und extravertiert belegt wurden. Und Laut Jung ist eine der vier Funktionen bei den Menschen dominant, sodass sich 8 Kombinationsmöglichkeiten ergeben. Ich möchte direkt hinzufügen, dass diese Erkenntnisse auf Jungs Beobachtungen als Psychiater beruhen und keine wissenschaftlichen Erkenntnisse sind.
1944 erweiterten die medizinischen Laien Katharine Cook Briggs und ihre Tochter Isabel Myers das Modell um die Punkte Wahrnehmung und Orientierung. Außerdem wandelten sie die Funktionen in Dimensionen um, die hart voneinander getrennt verwendet werden sollen – oder anders gesagt: zwei Gegenpole sind
Es gibt also eine eindeutige Präferenz für jeweils eine Dimension. Es ist also ein Entweder-Oder und kein „Stimme eher zu“ bzw. „Stimme eher nicht zu“.
Gehen wir die einzelnen Dimensionen einmal durch:
Motivationspaar/Antrieb – Energie nach außen oder innen richten (Akku aufladen nach der Arbeit): Introversion (I) / Extroversion (E) – Beschreiben die Richtung der Sinne bzw. der Motivation. Kernpunkt ist die Frage: Gehen die Sinne nach innen oder nach außen? E-Typen sind zum Beispiel kontaktfreudiger, während I-Typen konzentrierter und zurückgezogener sind. (Freunde rausgehen, Buch lesen)
Aufmerksamkeitspaar: Sensorik bzw. Sensing (S) / Intuition (N) – Beschrieben wird die Verarbeitung der Sinneseindrücke. N-Typen hören mehr auf ihr Bauchgefühl, während S-Typen faktenorientiert sind und auch mehr Wert auf Details legen.
Entscheidungspaar: Denken bzw. Thinking (T) / Fühlen bzw. Feeling (F) – Beschrieben wird die Art der Entscheidungsfindung. Während sich der F-Typ stark am eigenen Wertesystem orientiert (Hard und soft facts, Gefühle der anderen betrachten) , legt der T-Typ Wert auf rationale Entscheidungen (Pro-Contra-Liste.
Lebensstilpaar: Wahrnehmung (P) / Beurteilung bzw. Judgement (J) – Beschrieben wird das Bedürfnis Eindrücke zu strukturieren. Während der P-Typ offen für neue Eindrücke und auch neue Meinungen ist, entscheidet der J-Typ schneller, auch wenn nicht alle Informationen vorliegen.
Diese Dimensionen wurden durch mit dem Anfangsbuchstaben des englischen Begriffs abgekürzt. Und durch die Kombination der jeweils dominierenden Dimensionen entstehen die 16 Typen, die ich zu Beginn des Podcast erwähnt habe
Als ESFJ Typ bin ich also extravertiert, orientierte mich an Fakten, bin harmoniebedürftig und brauche einen Plan im Leben.
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Ein offensichtliches Merkmal, das der MBTI mit Horoskopen gemeinsam hat, ist die Tendenz, jeden Persönlichkeitstyp nur mit positiven Worten zu beschreiben. Horoskope sind zum Teil deshalb so beliebt, weil sie den Menschen fast immer genau das sagen, was sie hören wollen, indem sie Sätze verwenden, von denen die meisten Menschen gerne glauben, dass sie wahr sind, wie z. B. „Sie haben eine Menge ungenutztes Potenzial.“ Sie sind auch deshalb so beliebt, weil sie so dargestellt werden, als seien sie auf das Sternzeichen der Person zugeschnitten. Und somit kommen wir auch zu einem Erfolgsgeheimnis dieses Tests.
Viele Menschen können mit den Ergebnissen sehr gut etwas anfangen und sehen sich in den Abkürzungen wieder Es geht mal wieder um den Barnum-Effekt. Der beschreibt in der Psychologie die Neigung von Menschen, vage und allgemeingültige Aussagen über sich selbst als zutreffend und wahr zu empfinden. Dabei könnten die Beschreibungen für jeden anderen genauso gelten. Das ist auch ein Grund, warum Horoskope so gut funktionieren.
Es sind also vage und allgemeingültige Aussagen, mit denen sich alle, die sie lesen, identifizieren können. Das können bspw. wünschenswerte Eigenschaften sein, denen wir sofort zustimmen. Darunterfallen aber auch Aussagen zu allgemeinen Ängsten, denen wir nicht widersprechen würden. Ein Beispiel wäre: Ihnen ist Ihre Gesundheit sehr wichtig. Gleiches gilt für tautologische Erklärungen und allgemeines Aussagen.
Woher kommt das?
Wir Menschen sehen nur das, was wir sehen wollen. Verspricht uns ein Persönlichkeitstest oder ein Horoskop eine rosige Zukunft, konzentrieren wir uns auf die Punkte, die tatsächlich übereinstimmen. Außerdem neigen wir Menschen dazu Informationen so zu interpretieren, dass sie zu unserem Selbstbild passen.
Kritik am MBTI
Veraltete Theorie von Jung. Sie stammen aus einer Zeit (vor etwa 100 Jahren), in der die Psychologie gerade erst begann, sich zu einer Wissenschaft zu entwickeln. Auch für Jungs Theorien mangelt es daher an empirischen Belegen.– Myers-Briggs haben keinen Hintergrund in Psychologie
Retest Reliabilität: Gering = Erneute Messung kommt ein anderes Ergebnis raus. Es sollte aber das Gleiche herauskommen – Eine Änderung der Persönlichkeit ist unwahrscheinlich. Warum passiert das? zum Beispiel durch zu unkonkrete Fragen, deren Beantwortung von der Tagesform sowie den aktuellen Lebensumständen stark beeinflusst werden.
Ausgehen von Extremen: Allermeiste Menschen liegen in der Mitte und eben nicht in den Extremen. Beim MBTI ist es also so, dass egal wie stark z. B. eure Extrovertiertheit ist, ihr in ein und dieselbe Gruppe fallt. Das wäre so, als wenn man sagen würde, jeder der in der Bundesliga oberhalb von Tabellenrang 5 ist, ist ein Weltklasse-Klub. Ganz egal, wie viele Punkte Abstand zwischen dem 1. Und 5. Platz liegen.
Und warum benutzen Personalentwickler und Unternehmen den MBTI so gerne und häufig?
Ich persönlich bin der Meinung, dass es mit der Tendenz der Menschen zu tun hat, zu allem zu greifen, was eine einfache Lösung bietet. Die Leute werden immer nach der neuen Modediät, dem alternativen Heilmittel oder was auch immer greifen. Auch wenn es gut gemeint sein mag, bietet der MBTI eine Variante davon. Menschen sind sehr komplex, variabel und unberechenbar. Viele MBTI-Anwender glauben, dass ein einfacher Test sie so weit vereinfachen kann, dass sie verwaltet, kontrolliert und genutzt werden können, um sie so effizient und produktiv wie möglich zu machen. Es ist kein Wunder, dass die Unternehmen so etwas gerne annehmen.
Aber nun zu Euch
Habt ihr schonmal den MBTI durchgeführt? Welches Ergebnis kam dabei heraus?
Schreibt es mir gerne in die Kommentare.
Mir bleibt nicht mehr viel übrig als Euch eine schöne Restwoche zu wünschen.
Quellen:
https://www.scientificamerican.com/article/how-accurate-are-personality-tests/
David G. Myers, C. Nathan DeWall – Persönlichkeit (2023)
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