Psychische Belastungen, Burnout, Depressionen und Überforderung der Beschäftigten zählen in naher Zukunft zu den größten Herausforderungen für Unternehmen und Führungskräfte. Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz haben die körperlichen Belastungen in ihrer Dringlichkeit in vielen Branchen überholt. Psychische Erkrankungen sind von 2011 bis 2021 um ganze 41 Prozent gestiegen. Das hat die DAK-Gesundheit gerade erst in ihrem „Psychreport 2022“ veröffentlicht.
Wir reden heute über die psychische Gefährdungsbeurteilung und wie man sie im Unternehmen anwenden kann.
Kennzahlen: Psychische Belastungen
Psychische Erkrankungen sind von 2011 bis 2021 um ganze 41 Prozent gestiegen. Das hat die DAK-Gesundheit gerade erst in ihrem „Psychreport 2022“ veröffentlicht.
Der World Mental Health Report bestätigt, dass allein im 1. Coronajahr die Fälle von Angststörungen und Depressionen um 25% gestiegen sind..
Was ist eine GBU?
Unternehmen sind laut Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet, die Arbeitnehmer vor Gefahren zu schützen. Daher muss jede Tätigkeit untersucht werden, ob und welche Gefahr auf einer Stelle auftreten kann. Doch damit nicht genug: Weiterhin muss das Unternehmen Maßnahmen entwickeln, um die Gefahr zu eliminieren oder zu minimieren.
Eine Gefährdung ergibt sich
- durch Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
- physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
- die Gestaltung, die Auswahl, den Einsatz und den Umgang mit Arbeitsmitteln
- durch Arbeitsprozesse
- durch unzureichende Qualifikation und Unterweisung
- oder eben durch psychische Belastungen.
Die Gefährdungsbeurteilung Psyche ist also die Dokumentation der Ermittlung möglicher Gefährdungen am Arbeitsplatz oder bei einer Tätigkeit und die Festlegung von geeigneten Maßnahmen, um Risiken auf ein Minimum zu reduzieren und so arbeitsbedingte Unfälle oder Erkrankungen möglichst zu verhindern.
Wie genau eine Gefährdungsbeurteilung Psyche aussehen muss, ist nicht festgelegt. Da ist viel Spielraum für Kreativität. Das ist auch gewollt, denn nur so befasst man sich aktiv mit der Thematik und arbeitet sie nicht einfach ohne viel nachzudenken nach „Schema F“ ab.
Ich gebe Euch aber gleich noch einen Tipp, welche logischen Schritte und welcher Ablauf sich bewährt haben.
Was ist dann die psychische Gefährdungsbeurteilung?
Die psychische Gefährdungsbeurteilung betrachtet also die psychischen Belastungen auf einer Stelle und dokumentiert diese bzw. gibt Aufschluss darüber, mit welchen Maßnahmen man sie minimiert.
Das Gute an dem Instrument ist, dass es sich von der Verfassung eines Stelleninhabers löst und nur die Arbeitsstelle bzw. die Tätigkeit betrachtet.
Welche Belastungen psychischer Art kann es geben?
Alles, was sich auf unser Denken und Fühlen seelisch auswirkt, stellen psychische Belastungen dar. Belastung ist wertfrei gemeint: Egal ob Sie verliebt sind oder unter einem schlechten Chef leiden – in beiden Fällen geht es um eine psychische Belastung. Geprüft werden muss also: Um welche Belastung handelt es sich? Wie stark ist die Belastung? Was könnte daraus entstehen?
So können psychische Beeinträchtigungen körperliche Auswirkungen haben, Krankheiten oder Missempfindungen hervorrufen oder unterstützen. Umgekehrt ist dies ebenfalls möglich.
Wodurch entstehen sie?
Missverhältnissen von Arbeitsmenge und -zeit, überlangen Arbeitszeiten, unzureichenden Handlungsspielräumen bei der Arbeit oder auch im Falle mangelnder sozialer Unterstützung und/oder Wertschätzung durch Vorgesetzte.
Laut einer Befragung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) haben mehr als 40 Prozent der Befragten geantwortet, dass sie folgende mögliche Belastungsfaktoren am häufigsten erleben:
- die gleichzeitige Betreuung mehrerer Arbeitsaufgaben,
- Termin- und Leistungsdruck,
- sich wiederholende Arbeitsvorgänge,
- Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit.
Die Belastungsfaktoren an sich sind nicht belastend, sondern sie sind das Ergebnis schlecht bzw. unzureichend gestalteter Arbeits- und Informationsprozesse. Das gilt es also in der Gefährdungsbeurteilung Psyche zu identifizieren und durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu verbessern.
Für psychische Belastungen sollte die psychische Gefährdungsbeurteilung in fünf Merkmalsbereichen erfolgen:
- Arbeitsinhalte/Arbeitsaufgabe
- Arbeitsorganisation,
- soziale Beziehungen,
- Arbeitsumgebung,
- Neue Arbeitsformen
Der Kern einer guten Arbeitsgestaltung ist natürlich zunächst der Arbeitsinhalt und die Arbeitsaufgabe. Hier sollte im Idealfall die Aufgabe möglichst vollständig sein, also von der Planung bis zur Endkontrolle in einer Hand (oder einem Team) liegen. Die Arbeitsaufgabe sollte dem Ausführenden aber auch einen entsprechenden Handlungsspielraum bzw. eine ausreichende Variabilität innerhalb seines Arbeitsspektrums erlauben. Sehr wichtig für das subjektive Wohlbefinden, aber auch für die korrekte Abarbeitung der Aufgaben und dem Sinnverständnis für das Ganze sind ausreichende und rechtzeitige Informationen. Zwei wichtige Themen sind natürlich auch die Verantwortung und die Qualifikation.
Im zweiten Merkmalsfeld Arbeitsorganisation spielen vor allem die zeitlichen Komponenten wie die reine Arbeitszeit und der Arbeitsablauf eine wesentliche Rolle. Insbesondere kritische Arbeitszeiten wie Schichtarbeit, Wochenendarbeit, sehr lange Arbeitszeiten, aber auch unzureichende Pausen sind natürlich nach Möglichkeit zu vermeiden.
Auch die sozialen Beziehungen tragen zur psychischen Belastung / Entlastung bei. Entweder die Zusammenarbeit mit Kollegen oder das Führungsverhalten der Führungskraft.
Ebenso spannend ist der Punkt der neuen Arbeitsformen, dessen Betrachtung insbesondere durch Corona an Fahrt aufgenommen hat. Die kurzfristigen und langfristigen Wirkungen räumlicher Mobilität, Entgrenzung zwischen Privat- und Berufsleben, ständiger beruflicher Erreichbarkeit u.a. sind noch nicht voll verstanden
Woran erkennt man mögliche psychische Fehlbelastungen?
- Nachlassende quantitative Arbeitsleistung der Mitarbeiter
- nachlassende Qualität (Fehler, Falschausführungen etc.)
- Verändertes allgemeines Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kolleginnen bzw. Kollegen
- Unmutsäußerungen zu den Arbeitsanforderungen bis hin zu direkten Beschwerden
- Rückzug aus dem sozialen Gefüge; Scheinbare geistige Abwesenheit, ungewöhnliche Schweigsamkeit
- Zynische Bemerkungen über/zu Kollegen oder z. B. über die Geschäftspolitik
- Scheinbar grundlose Auseinandersetzungen mit Kollegen/ Kolleginnen
- Häufige Fehlzeiten
- Hinweise auf Rauschmittelkonsum (insb. Alkohol, Tabletten)
Nutzen einer Gefährundgsbeurteilung Psyche
- Motivation,
- die Mitarbeiter sind gesünder,
- weniger Ausfall,
- kein Präsentismus,
- mehr Engagement,
- höhere Bindung
Wie gehe ich als Unternehmen bei der psychische Gefährdungsbeurteilung vor?
Viele Wege führen bekanntlich nach Rom. Das gilt auch für die GBU Psyche. Schauen wir zunächst auf den Prozess und dann auf ein mögliches Instrument.
Wie sieht eine logische Abfolge einer GBU aus?
- Analyse: Ermittlung der Gefährdungen
- Beurteilung: Bestehen Risiken und wie groß sind sie?
- Zielsetzung: Was will man erreichen und bis wann?
- Ermittlung von Maßnahmen, um das Risiko zu reduzieren
- Auswahl geeigneter Maßnahmen: Welche Maßnahmen sind umsetzbar?
- Umsetzung der Lösung: Anwendung der Maßnahmen
- Wirkungskontrolle: Ändern sich Arbeitsabläufe oder müssen Maßnahmen zur Verbesserung der Wirksamkeit angepasst werden?
Was können hilfreiche Instrumente sein?
- Checklistenverfahren: günstig und schnell
- Beobachtungsinterviews
- Mitarbeiterbefragungen
- Analyseworkshops
Hat man nun die Gefährdungen dokumentiert und stürzt sich darauf Maßnahmen zu entwickeln, dann gilt Verhältnis- vor Verhaltensprävention. Das bedeutet, dass ich zunächst versuche, die Quelle zu bekämpfen und technisch-organisatorische Maßnahmen prioritär gegenüber personenbezogenen Maßnahmen zu behandeln.
Das kann ein optimiertes Arbeitssystem sein, eine Veränderung der Arbeitsaufgabe oder der Arbeitsmenge oder aber auch die Minderung von Störungen.
Soweit der kurze Ritt durch die psychische Gefährdungsbeurteilung.
Fassen wir nochmal zusammen:
- Die psychische Gefährdungsbeurteilung ist gesetzlich vorgeschrieben und erfasst Gefährdungen jeder Art auf den Arbeitsstellen
- Wie eine psychische Gefährdungsbeurteilung abzulaufen hat, ist nicht festgelegt und die Instrumente sind variabel und je nach Bedarf nutzbar.
- Das Ergebnis der psychischen Gefährdungsbeurteilung ist eine Dokumentation von Gefährdungen und die Ableitung geeigneter Maßnahmen zur Eliminierung oder Minimierung der Risiken.
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