besserjetzt – 30 Minuten für deine berufliche Entwicklung
Folge 22: Wie gelingt Unternehmenskommunikation?
Interview mit Prof. Dr. Markus Kiefer
Michael Zocholl
Unternehmenskommunikation gehört in die Firmen wie das Amen in die Kirche. Doch bleibt die Frage Was macht moderne Unternehmenskommunikation eigentlich aus? Was müssen Manager, CEOs oder Führungskräfte eigentlich beherrschen, um ihre Mannschaft zu erreichen? Diese und viele weitere Fragen stelle ich heute meinem Gast.
Ich freue mich auf Professor Dr. Markus Kiefer. Er ist Professor an der FOM und auch an weiteren Hochschulen tätig. Und seine Paradedisziplin ist die Unternehmens- bzw die Wirtschaftskommunikation. Dazu hat er auch mehrere spannende Bücher geschrieben. Seine letzte Veröffentlichung lautet Kommunikations-Kompetenz Wege zu einer zeitgemäßen Führungskräfte- und Organisationskommunikation. Eine absolute Leseempfehlung meinerseits. Professor Kiefer ist auch mein ehemaliger Professor, daher kenne ich ihn. Und ganz nebenbei noch ein ebenso großer Eishockey Fan wie ich. Ich freue mich, dass er heute bei mir ist. Hallo und herzlich willkommen Professor Dr. Kiefer.
Markus Kiefer
Ja, lieber Herr Zocholl ganz herzlich den Gruß zurück. In der Tat, wir haben da Gemeinsamkeiten und das ist natürlich für mich auch sehr schön, dass ich heute im Gespräch im Podcast auf einen früheren und auch damals schon an dem Thema sehr interessierten Studenten treffe, der heute erfolgreicher Unternehmer und Berater ist. Und vor allen Dingen freue ich mich besonders, dass wir heute inzwischen Kollegen sind, weil sie ja selber an Hochschulen lehren und praxisnah dozieren, also schon nach einem Gespräch zusammen sind. Freue mich drauf.
MZ: Herr Kiefer, Veränderungsprojekte sind ja Alltag in Unternehmen. Ein Projekt jagt das nächste. Unternehmenskommunikation ist sowieso ständiger Begleiter und CEOs, Manager und Führungskräfte sind da ja täglich gefragt, ein Projekt zu verkaufen.
Ich weiß aus meiner Erfahrung oder habe da auch wahrgenommen, dass sich sehr schnell zeigt, wenn sich Unternehmenskommunikation von der Realität entfernt oder da auseinanderklafft. Die erste Frage an Sie Wie bekommt man eine Organisation kommunikativ bewegt, die eigentlich täglich erlebt, dass die Realität anders aussieht?
70% der Veränderungsprojekte scheitern
MK: Muss wahrscheinlich Ihre Frage zweifach beantworten Einmal in einer vermeintlich normalen Situation und zum anderen noch mal unter dem besonderen Aspekt der verschiedenen Krisen, mit denen wir unterwegs sind, die natürlich das, was Sie da fragen, zusätzlich erschwert.
Generell ist es ja schon, wenn man über die Normalsituation im Normalfall in Anführungszeichen sprechen ist eine Zahl, die relativ wenig präsent ist. Dass uns die Wissenschaft Erkenntnisse liefert, so 70 % der Veränderungsprozesse scheitern normalerweise ohnehin schon.
So, und jetzt kann man fragen Warum scheitern Sie in meiner Vermutung von meiner Profession? Natürlich ist, dass es vielfach daran liegt, dass der Unternehmenskommunikation in diesen Veränderungsprozessen eben häufig der Atem schnell ausgeht. Es reicht ja nicht, eine Veränderungsnotwendigkeit am Anfang zu kommunizieren. Man muss in diesen Veränderungsprozessen einfach dann dranbleiben, muss auch Zwischenergebnisse kommentieren, muss Zweifel aufnehmen und immer wieder die Ziele auch erklären und begründen.
Und ich kann mir vorstellen, dass das in vielen Projekten nicht ausreichend passiert. Dass dort Leute sind, die natürlich in der Sache viel von dem Projekt verstehen, aber vielleicht etwas zu wenig die Kommunikation verfolgen.
Das ist ohnehin der Grundtatbestand, von dem wir ausgehen müssen. Also wenn Sie so wollen, ist das Scheitern von Veränderungsprozessen eigentlich leider mehrheitlich so der Normalfall. So, jetzt kommt der zweite Aspekt dazu. Jetzt leben wir in einer Zeit, die die Sache zunehmend erschwert.
Veränderungsprozesse leben ja davon, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgenommen werden, aktiv mitmachen müssen, sie mittragen müssen. Zumindest ein gewisser Prozentsatz von Scheitern, wenn es zu wenig gibt, die die Veränderung unterstützen.
So, und jetzt leben wir natürlich in Zeiten, in denen eine Krise die andere jagt. Und ich glaube, wenn man mal eine Treppenstufe höher geht bei Ihrer Frage, dass wir einfach sehen müssen, es wird jetzt zunehmend erschwert dadurch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ja auch Teil der Gesellschaft, die sehen, was alles an Krisen passiert. Sie haben sicherlich auch das Gefühl, dass man dem mehr oder weniger ausgeliefert ist, dass man relativ wenig selber dazu tun kann, um jetzt hier etwas zu verändern. Und das überträgt sich natürlich auf den Alltag der Unternehmen.
Und wenn man ohnehin schon jetzt erlebt als Bürger erlebt, das viele große Krisen um einen herum passieren und man denen mehr oder weniger ausgeliefert ist, ohne selber einen Beitrag zu leisten, dann ist es natürlich auch schwer vorstellbar, dass man im Unternehmen durch eigene Aktivität groß etwas verändern kann.
Ich glaube, da gibt es gewisse Zusammenhänge. Was kann man tun, um Ihrer Frage nicht auszuweichen? Ich wollte nur erst mal den Befund schildern. Wir brauchen natürlich Führungskräfte in diesen Veränderungsprozessen, die es schaffen, immer wieder Mut zu machen, immer wieder zu motivieren und immer wieder an die Ziele von solchen Veränderungsprozessen zurückzuführen, sie immer auch wieder zu begründen und Zuversicht zu vermitteln. Begründete Zuversicht, dass man diese Veränderung auch tatsächlich schaffen kann. Anders gesagt im Prozess auch zwischendurch vermitteln, dass man schon eine Menge erreicht hat.
Ich glaube, solche Führungskräfte sind momentan ganz besonders gefordert. Sie müssen mutig sein, sie müssen Visionen haben, sie müssen die Ziele immer wieder erklären, immer wieder begründen, die Zweifel immer wieder aufnehmen und auch in der Lage sein, Zuversicht zu verbreiten. Vielleicht kann man sich am ukrainischen Präsidenten im Moment ein Beispiel nehmen.
Das ist eine solche Führungskraft, wie ich sie mir auch für Unternehmen wünsche. Der ist jetzt seit sieben Monaten im Kriegszustand, macht eine tägliche Videobotschaft, und ich glaube, dass sind relativ wenig seltener Augenblicke vermerkt worden, in denen er zweifelt oder gar ängstlich wird. Wenn er sich zeigt, vermittelt er seinen Leuten immer wieder Zuversicht, Mut, begründete Aussichten. Das ist eigentlich das, was erforderlich ist.
MZ: Das Erste, was ihn (hier: Wolodymyr Selenskyj) ihn in ein positives Licht gerückt hat, war ja, dass er eben nicht aus der Ukraine verschwunden ist, sondern dort in Kiew geblieben ist und somit allen gezeigt hat „Ich bleibe, ich, ich kämpfe mit euch.“ Also sich quasi in den Sturm stellen und Angst haben, dabei ums Leben zu kommen. Das muss man ehrlicherweise auch zu sagen.
MK: Absolut. Und insofern gehört zu diesen Führungskräften ein guter Punkt, den sie mit der Nachfrage da in den Raum werfen. Gehört natürlich dieses Beispiel geben und vorangehen. Man kann schlecht in Betrieben aus 500 Meter Entfernung führen oder gar unentwegt aus anderen Standorten oder Städten. Man muss zwischendurch für die Leute wirklich auch präsent und sichtbar sein und mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Man muss dahin gehen, wo es wehtut, man muss für die Leute ansprechbar sein, auch anfassbar sein.
MZ: Sie hatten in einer Ihrer ersten Sätze gesagt „Es kann passieren, dass so einer Geschichte die Luft ausgeht“. Noch mal aus Ihrer Sicht: Was kann man denn eigentlich tun, um ja zu vermeiden, dass einer Story so ein bisschen die Luft ausgeht?
MK: Also bei dem Beispiel, was Sie bringen, würde ich natürlich spontan antworten wollen. So eine Story würde ich von vornherein gar nicht erst auswählen. Also die Story sollte tatsächlich von vornherein eigentlich auf dem Tisch liegen und sie müsste dann so bearbeitet werden, dass man sagt jetzt bringen wir die Realität damit zur Deckung. Ich sollte nur solche Geschichten auswählen, die wirklich zur Unternehmens Wirklichkeit passen. Ich würde diese Geschichten und den Content sehr sorgfältig auswählen.
Ich sollte nur solche Geschichten auswählen, die zur Unternehmenswirklichkeit passen. (Prof. Dr. Markus Kiefer)
MZ: Ich kann mich auch noch an Zeiten erinnern, wo es hieß „Ja, es gibt nichts zu kommunizieren. Warum soll ich jetzt etwas sagen?“. Können Sie noch mal herausstellen, warum es vielleicht doch wichtig ist, zwischendurch noch mal Revue passieren zu lassen, was in einem Veränderungs Projekt schon gelaufen ist? Warum ist das wichtig?
Warum ist Unternehmenskommunikation wichtig?
MK: Die Theorie betont, dass es wichtig ist, in der Frühphase eines Veränderungsprozesses herauszustellen, dass bestimmte Dinge, die man sich vorgenommen hat, schon geklappt haben und dass den Mitarbeitern durch Unternehmenskommunikation in Erinnerung zu rufen oder in den Augen aus falsch, weil es ja gerade erst angelaufen ist, ins Bewusstsein zu bringen.
Den Mitarbeitern, den Mitarbeiterinnen plastisch deutlich vor Augen zu führen. Wie ein Beweis sozusagen nach dem Motto: „Es kann funktionieren“. Also nicht einfach so weitermachen im Veränderungsprozess, sondern tatsächlich das erste, was da unterwegs erreicht, ist das Zweite und das Dritte schon deutlich ins Bewusstsein zu heben durch einen Akt von Unternehmskommunikation.
MZ: Und ein wichtiger Hebel dabei sind natürlich die Führungskräfte. Wie müssen Führungskräfte denn gestrickt sein, um jetzt die aktuellen Herausforderungen zu meistern? Wie kriegen sie Leute bewegt?
MK: Lassen Sie uns mal die normale Situation unterscheiden bis zu diesem Zeitpunkt des Jahres 2022, wo viele Experten feststellen, dass sich so viele Mega-Krisen gleichzeitig sozusagen kulminieren. Und das hat es tatsächlich selten gegeben, dass es natürlich noch mal eine besondere Herausforderung. Da ist ja auch viel Unsicherheit nach dem Motto Wohin wird diese Gaskrise und Versorgungskrise noch führen? Wird Corona jemals ein Ende nehmen? Was bedeutet die Inflation? Wie sicher ist mein Arbeitsplatz?
Man kann sich diese Fragen ja vorstellen. In solchen Situationen sind natürlich Führungskräfte gefragt, die tatsächlich eher nach einem etablierten klassischen Stil führen. Wenn Sie so wollen, ist in einer solchen krisenhaften Situation natürlich sehr stark auch der Typ Leader gefragt, der Ansagen macht, der auch wirklich Zuversicht vermitteln kann, der den Leuten sagt Wir gehen jetzt linksrum, weil das ziemlich sicher oder bei allen Unsicherheiten des Moments noch der aussichtsreichste Weg ist, dass in krisenhaften Situationen dürfen Sie natürlich, wenn man das jetzt nicht in eine Diskussionsveranstaltung mit Ihrer Belegschaft verwandelt, erwarten die Leute, dass es Leute gibt, die ihnen Orientierung geben und ihnen auch begründe klar machen, wo es lang zu gehen hat?
Aufgaben der Social Media Kommunikation
MZ: Warum ist Social Media Kommunikation ein geeigneter Weg im Unternehmen und für Ihre Führungskräfte?
MK: Also ein ganz wesentlicher Grund ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Social Media unterwegs sind und dass die natürlich heute alle eigene Profile unterhalten und übrigens auch häufig natürlich auch die verlorenen Follower beim eigenen Unternehmens Profil sind. Und das ist natürlich ein ganz cooler Weg ist, um auf moderne Art und Weise die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mal anders zu erreichen als durch die Email.
Generell ist es natürlich so, dass Social Media inzwischen völlig etabliertes Marketing Marketing Kommunikationsinstrument ist, das auf gleicher Augenhöhe steht wie die klassischen Kommunikations Instrumente wie Media, Werbung, Verkaufsförderung, Event, Marketing. Das ist inzwischen ein völlig akzeptierter und etablierter und übrigens auch von Unternehmen gefordertes Kommunikationsinstrument.
Ich sage damit nicht, dass man es anderen vorziehen soll. Ich sage einfach, es ist inzwischen im Kommunikationsmittel etabliert und deswegen nicht mehr hinterfragt. .
MZ: Was sind denn dann Aufgaben, die man in der Social Media Kommunikation erledigen kann?
MK: Es gibt unterschiedliche Rollen, die von diesen Vorständen CEOs, vor allen Dingen aber auch mal geschäftsführender Gesellschafter am privat haftenden Gesellschafter in ihren Unternehmen dann eingenommen werden in Social Media. Die kann man durchaus unterscheiden. Es gibt also in dem Sinne nicht die die Blaupause für alle gleichermaßen. Also beispielsweise ist jemand, der das ganz hervorragend gemacht hat, in gesellschaftliche Debatten einzugreifen, wie das ja übrigens auch tatsächlich in der Bevölkerung von großen Managern gefordert wird. Heute, das wissen wir aus Umfragen, beteiligt euch an den gesellschaftlichen Debatten, greift in die politische Agenda ein. Jemand, der das wahrscheinlich wie kein Zweiter erfolgreich gemacht hat, war der langjährige Siemens Chef Joe Kaeser, der wirklich mit Mumm und mit Mut in gesellschaftspolitische Debatten eingegriffen hat. Wenn man jetzt mal von der DAX 30 Ebene weggehen, vielleicht auch große mittelständische Unternehmen, wo einfach die Rolle für den geschäftsführende Gesellschafter vorgezeichnet ist, sich als Experte, als Pionier bei bestimmten technischen Fragen und Lösungen zu positionieren.
MZ: Jetzt haben wir das Leid, in einer Shitstorm Gesellschaft zu leben. Über Linkedin vielleicht noch nicht so stark wie auf Twitter oder in anderen Medien. Aber Prägnanz heißt ja auch Klarheit heißt wahrscheinlich auch Ecken und Kanten. Ist es da nicht verständlich, sich die eigenen Ecken und Kanten mal ordentlich abzuschleifen, bevor man kommuniziert?
MK: Wir sollten einfach wie selbstverständlich in Unternehmen heute die Dinge so sehen, dass wir nicht damit durchkommen werden, einfach 20 Jahre nicht aufzufallen. Wobei ich empfehlen würde, das Unternehmen für sich erst mal klar werden sollen, ab wann ist es denn eigentlich ein Shitstorm? Also wenn ich Bestandteil einer Strategiedebatte werde und ich bekomme dann Widerspruch, dann ist das etwas völlig Normales, aber kein Shitstorm. Also man sollte für sich definieren, ab wann bin ich denn jetzt tatsächlich in einer Situation, dass ich sage ich muss darauf jetzt wirklich reagieren?
MZ: Bleiben wir bei den Ecken und Kanten. Wer macht das denn gut? Wer ist da ein Positivbeispiel für Sie ganz persönlich?
MK: Also wäre es auf jeden Fall. Ich würde sagen, ich streich mal gut in Ihrer Frage, was wirkungsvoller, nämlich einen Elon Musk natürlich, und da übrigens ganz besonders natürlich in Social Media, weil er das kultiviert hat auf Twitter. Er hat sicherlich Themen besetzt, er hat auf atemberaubende Weise Visionen entworfen, wohin Unternehmen sich entwickeln können, was die Menschheit schaffen kann, wenn sie an seine Projekte zur Raumfahrt und anderes denken.
Jemand, der sicherlich Alleinstellungsmerkmale geschafft hat, als Unternehmer in Deutschland aufzubauen, ist Wolfgang Grupp, der Trigema Chef, der immer noch der Seniorchef hat inzwischen seine Kinder auch in der in der Mitverantwortung. Sein Unternehmen aber ist immer noch das prägende Gesicht des Unternehmens. Und das ist jemand, der bei keiner Frage, die ihm in klassischen Medien gestellt wird, eine Antwort scheut und immer auch eine sehr direkte gibt. Wovon ich auch selbst überrascht bin, ist Carsten Maschmeyer.
Carsten Maschmeyer hat ja einen zweifelhaften Ruf als Unternehmer, aber lange Zeit gehabt und aufgebaut, weil er in der Vermögensberatung immer mit Vertriebsmethoden gearbeitet hat und seinen Erfolg erwirtschaftet, die viele kritisch sahen.
MZ: Herr Kiefer, ich danke Ihnen schon mal für Ihre Zeit. Vielen Dank.
2 Kommentare
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!
Tolles Interview. Ich kenne Herrn Kiefer auch aus meinem Studium. Toller Prof.
Ich sehe in Unternehmen immer wieder das Problem, dass vieles nur auf Plakaten steht, aber in der Realität nicht existiert. Das macht es für mich als Manager schwer, meine Leute mitzunehmen.